Kategorien
1994 1995

Episode 25: Prolog

Schluss mit Pianissimo Podcast-Pause. Als Prolog der neuen Beitrags-Serie eine kurze Erklärung, wie es zum Schweigen zwischen November 2022 und Oktober2023 kam.

Migdal-Zentrum Odessa 2008 / vormals Еврейский культурный центр

Schluss mit pppp – Pianissimo Podcast-Pause. Zur Einführung eine kurze Erklärung, wie es zum Schweigen zwischen November-Mitte 2022 und Oktober-Ende 2023 kam.

Nein, es war hier mal nicht das fehlende Publikum. Nicht zuerst jedenfalls. Vielmehr versagte mir die innere Stimme. Zu schrecklich waren die täglichen Meldungen, nach denen meine Herzensheimat Odessa bombardiert wurde. Oft und immer öfter mehrmals täglich.
Wen wollte ich mit meinen persönlichen Erinnerungen an die Perle am Schwarzen Meer noch ermutigen? Eine deutsche Freundin, die ein paar Podcast-Episode angehört hatte, lobte mich zwar für die interessanten Zeitzeugnisse. Aber die Zeitzeugenschaft steht nicht mir zu, sondern nur den Odessiten. Die hatten und haben Anderes zu tun, als sich von mir an ein Odessa erinnern zu lassen, das es nie wieder geben wird. Schlimmer noch: Vermutlich noch ein bis zwei Generationen nach einem zu erhoffenden Kriegsende, bei dem kein Despot triumphiert: Das Odessa, in dem Russisch Lingua Franca war, in dem über Hundert Ethnien gelernt hatten, friedlich zusammen zu leben, ja, einfach Odessiten bunt gemischter Traditionen zu sein – genau dieses Odessa ist im besten Fall schmerzhafte Erinnerung an etwas unwiederbringlich Verlorenes. Häufiger aber wohl mit dem Gefühl verbunden, einer Lebenslüge aufgesessen zu sein. Ich bin sicher, dass das unwiederbringlich Verlorene keine Lebenslüge war. Aber wie soll ich das jemand sagen, der täglich in den Bunker flüchten muss, weil Freunde, Partner und Kollegen von einst jetzt Raketen auf sein Haus schießen?

Wie auch immer, 2023 Mitte September beschloss ich, meinen Odessa-Podcast demnächst wieder zu beleben. Angeregt und gleichzeitig ermutigt wurde ich von Christiane Neukirch alias Cpt. Svitje Schiffmann, Kapitänin der LS Imagine. Den gleichnamigen Podcast, erreichbar unter www.ls-imagine.de, möchte ich hier allen ans Herz, Ohr und Hirn legen.
Mit der Phantasie-Kapitänin aus München verbindet mich vieles. In Episode 2 „Strandfunk“ kam sie vor. Ja, auf der Transkriptions-Webseite ist sie sogar zu sehen. Sie war es, die für mich am Strand von Bugós Kurs setzte. Du warst schon damals mein Captain, Svietje! Vielleicht sollte ich auf der LS Imagine anheuern, etwa im Maschinenraum. 😉
Der von Dir gesetzte Kurs führte mich 1994 und 1995 fast täglich in das Bejt ulpan, das Jüdische Bildungszentrum. Und 2023, Mitte September, dachte ich: Die vielen Erlebnisse, Begegnungen und Gespräche, die ich diesem Haus verdanke, na, die werden doch keinem Odessiten zusätzlichen Schmerz zufügen. Und gleichzeitig kann ich daran zeigen, wie etwas, das Odessa seit seiner Gründung 1792 prägt, nämlich Jüdisches Leben, durchhält, buchstäblich nicht totzukriegen ist. Trotz der von orthodoxen Christen verübten Pogrome. Trotz des von Deutschen geleiteten Völkermords, der Stalin-Zeit mit ihrem Terror, trotz der immerhin nicht mehr tödlichen Wirren nach dem Ende der Sowjetunion, trotz des latent weiter vorhandenen überlieferten Antisemitismus, trotz Neid auf das wirtschaftlich erfolgreiche Israel und die Odessiten, die da hin auswandern konnten. Alles in allem super-kompliziert. Aber trotzdem friedlich. Also: Mikrofon an, Licht an, Achtung Aufnahme: Schalom chaverim! Ma nischma? Wie geht’s, wörtlich: was hört man? Dann kam der 7. Oktober.
Heute gibt es in dieser Episode keine Musik, sondern eine Schweigeminute.

– 60 Sekunden Stille für die Opfer des Hamas-Terrors –

Ich lebe, wie manche von Euch und Ihnen wissen mögen, an der Südlichen Sonnenallee in Berlin Neukölln. Was ich hier und an anderen Orten meiner Wahlheimat täglich anhören und sehen muss, ist geeignet, mich gleich wieder stumm zu schalten.
Aber da mache ich nicht mit. Stattdessen setze ich meinen Odessa-Podcast mit einer Serie fort, die ein Odessa beschreibt, das noch nicht verloren ist. So wenig wie das Volk Israel. Dabei ist und bleibt mir das Wichtigste: Frieden, alt- und neuhebräisch „Schalom“. Mit diesem Gruß an alle, die ihn wie ich erhoffen, schließe ich die 25. Episode meines Odessa-Podcasts. Schalom!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert