… ist wieder ein Zweispänner. Und die Heldin der Trilogie, die israelische Sprachlehrerin und Kibbuz-Winzerin Ajeleth, kommt erst im zweiten Teil zum Zuge. Bevor wir uns in Episode 29 würdig von ihr verabschieden – müssen. Vielleicht ja nur bis nächstes Jahr in Jerusalem?
Ob es im Himmlischen Jerusalem Podcasts geben wird, weiß ich nicht. Im Dezember 1994 gab es die jedenfalls noch nicht. Weder in Regensburg, wo ich studierte, noch in Odessa, wo ich…
Ja was eigentlich machte? – Den Flügel der Familie K. traktieren, vorzugsweise mit Haydn-Sonaten.
Im Staatsarchiv die wichtigsten Quellen eben nicht in die Finger bekommen, weil die natürlich alle „na remonte“, das heißt: in Reparatur, waren, haha.
An so manchem Abend die Einladung des Hauswirts annehmen, die da fragend lautete: „Torsten, budem buchátj?“. Alt-Odessaisch für „werden wir bechern?“.
Alles in allem ein Vollzeitjob. Dazu kamen noch die familiären Runden an becherlosen Abenden. Da tranken wir Tee. Aus Tassen. Und genossen überaus angeregte Gespräche. Manchmal mit großen Plänen.
Für die zeichnete sehr oft meine von einer berühmten alemannischen Uni kommende Mitbewohnerin verantwortlich.
Ich wundere mich gerade, dass sie noch nie im Odessa-Podcast vorkam. Hm. Nennen wir sie vorerst Jördis. Bis ich von hier höre, dass ich sie bei ihrem richtigen Namen nennen darf.
Jördis war die Lieblings-Gesellschafterin unserer Haushündin Markísa. Kein Wunder, denn die süddeutsche junge Frau war ständig auf Achse – wenn sie nicht gerade zu Hause war. Also in Markísas Burg.
Ein anderer ständiger Aufenthalt von Jördis war das Bavárskij Dòm – das Bayerische Haus. Da verschaffte sie unserem häuslichen Gesangstrio, in dem sie selbst mitwirkte, zweimal einen Gig. Und dann gab es noch eine Schule J-W-D, wo unsere Trio-Managerin zeitweise als ehrenamtliche Deutsch-Lehrerin arbeitete. Die Kinder sollten natürlich nicht nur Deutsch aus muttersprachlichem Munde hören, sondern auch eine Ahnung vom mit der Sprache verbundenen Brauchtum bekommen.
Es nahte der 6. Dezember. Sankt Nikolaus. Und ich hätte eigentlich ahnen können, dass Jördis dazu etwas ausbrütete.
Geändert hätte das freilich nichts. In der abendlichen Familienrunde stellte unsere umtriebigste Mitbewohnerin ihren Plan vor, einen Nikolaus in der Schule auftreten zu lassen.
Hauswirt Valerij hätte den optimalen Naturbart für diesen Job besessen, konnte aber kein Deutsch und hatte natürlich noch nie etwas vom heiligen Bischof aus Myra gehört. Weitere barttragende Männer im Hause: Keine. Außer mir. Der ich zudem als freiwilliger Caritas-Mitarbeiter einen Heiligenschein zu verteidigen hatte.
Immerhin bekam ich Personal zur Seite gestellt: Einen viel zu gutmütigen Krampus und einen tatsächlich wundervollen Engel. Aus meiner Kindheit kannte ich nur den Zweige schwingenden Knecht Ruprecht als Nikolaus-Begleiter. Aber: Andere Völker, andere Sitten. Gilt auch für Süddeutschland, wenn man selbst Westfale ist, woll?
Der Engel, meine Mitbewohnerin Susanne, die auch anders hieß, machte ihre Arbeit perfekt, indem sie mir eingab, was wir den Kindern schenken sollten: Nüsse, Äpfel und – als Highlight – ein paar Orangen.
Letztere gab es im Stadtzentrum, wo wir lebten, an allen Ecken und Enden günstig zu kaufen. Dafür sorgte die offenbar sehr gute befahrene Handelsschiff-Route nach Jaffo, der Hafenstadt von Tel Aviv. Ich habe in Deutschland nie so frische und saftige Jaffa-Orangen bekommen wie damals in Odessa.
Was es auch gab, wenn auch nicht in meinem Jute-Sack: Rosinen und Mandeln. Das ist die fast gelungene Überleitung zur heutigen Musik, dem jiddischen Volkslied „Rozhínkes und Mandlen“.
[Musik: Rozhínkes und Mandlen]
Die guten Gaben besorgte Jördis mit ihrem bewährten Organisationstalent. Das Nikolaus-Kostüm stellte zu einem Teil die Familie K. – Väterchen Frost half seinem christlichen Kollegen mit seinem Mantel aus. Den Kunstbart zum Ankleben wies ich mit bischöflicher Autorität zurück. Ich hatte selber einen Vollbart und der Bischof von Myra wird auch mal jung gewesen sein. Behauptete ich.
Wer wohl den Bischofsstab und die Mitra beigesteuert hatte? Vielleicht das Bayerische Haus? Engel und Krampus hatten ihre Kleider auch nicht aus dem Univermag, dem Kaufhaus sowjetischen Typs.
An dem kamen mein Engel und ich mutmaßlich mit der Straßenbahn vorbei, als wir zur Vorstadt-Schule fuhren. Natürlich noch nicht kostümiert. Wir wollten doch nicht, dass uns die Miliz festnahm. Odessa war nicht Neukölln, Alta.
Umkleiden wollten wir uns erst in der Schule. Das klappte, war aber wirklich abenteuerlich. Wie abenteuerlich, tja, das erfahrt Ihr in einer Woche. Am dritten Advent-Sonntag. Freut euch drauf – Gaudete!