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Odessa

Episode 33: Aquamarin

Für meine Herzensdame, deren Namen ich im Podcast nicht nennen werde, schrieb ich ein 1995 ein Gedicht. Es fand keinen Beifall. Trotzdem vertone ich es in dieser Episode und liefer den Text in der Text-Seite.

Schwarzes Meer – Arkadija Odessa im Mai 2008
Aquamarin – mit unbekannter Darstellerin 2008

„…Drei Tage am Meer / und ich weiß wieder wer / ich bin…“ – So heißt es in einem Lied des Kölner Trios AnnenMayKantereit. Anfang des Jahres (gemeint ist hier 2024) wurde das zu meiner persönlichen Hymne. In den 90ern gab es AnnenMayKantereit noch nicht.

Aber das Wieder-selbst-werden schon. U tschornovo morja – am Schwarzen Meer.

Wie so oft in diesem Podcast nehme ich mein Publikum mit in die Jahre 1994/95. Das war mein längster Aufenthalt in Odessa und der prägendste. Unter anderem fand ich die Liebe meines Lebens. Auch wenn die sich genau 1 Jahr nach ihrem Anfang durch den Beschluss der Dame zerschlug, trotzdem: Die Liebe meines Lebens. Unglücklich eben, aber „such is life“, wie mir ein Teilzeit-Ire damals sagte.

Für besagte Herzensdame, deren Namen ich im Podcast nicht nennen werde, schrieb ich ein Gedicht. Klar, keine hohe Literatur, ich heiße schließlich nicht Goethe. Aber bis heute bedeuten mir diese Zeilen etwas. Zuletzt vor wenigen Tagen.

Das Schwarze Meer vor Odessa und die friesische Nordsee südlich von Sylt haben herzlich wenig miteinander gemeinsam. Salzwasser. Aber das war’s dann auch schon. Die Nordsee ist biologisch noch quicklebendig. Klar, hängt ja auch direkt am Atlantischen Ozean dran. Das Schwarze Meer ist ein, wenn auch großes, Binnengewässer und – biologisch tot. Auch ohne russische Kriegsschiffe, die von seinem Wasser aus Tödliches auf Städte und Schiffe abschießen. Schande über dich, russische Marine. Zieh endlich ab!

Die Liebe meines Lebens hatte in ihrer sowjetischen Kindheit und Jugend eine ausgiebige militärische Ausbildung genossen. Und diese Prägung ließ sie nicht los, was mich immer mal wieder verstörte. Aber – und das bewundere ich heute noch an ihr! – am Meer, das damals noch ziemlich lebendig war, legte sie diese Vorliebe für elegante Schusswaffen und militärische Disziplin zuverlässig nieder. Die soldatischen Rituale um das Ewige Feuer der Sowjetarmee am Meeres-Ufer stießen sie etwa ab, ließen sie schaudern. Über den Grund dieses Schauderns haben wir nicht gesprochen, aber wir verstanden uns hier ohne Worte.

Nach einem unserer zahlreichen Spaziergänge am Meeresufer, bei dem wir meistens sehr viel miteinander sprachen, schrieb ich, zu Hause angekommen, meine Verse unter dem Titel „Aquamarin“.

Im Podcast gibt es jetzt die instrumentale Vertonung zu hören. Der Text findet sich in der Transkription. Wie findet man die? Einfach auf podcast.lautwert.de bei Episode 33 auf „mehr“ klicken und runter lesen oder notfalls scrollen. Da steht’s, das Gedicht „Aquamarin“.

[ Musik: Instrumentale Vertonung von „Aquamarin“ ]

Aquamarin

(Odessa 1995)

Du läufst und Eis knirscht unter deinen Füßen.
Das Meer ersehnst Du, atmest seine Luft.
Und strebst auf berstend hellem Holz
der zaunbegrenzten Weite zu.

Die Ewigkeit glänzt Dir zur Rechten;
Von Links, vom Hafen, eilst Du bald dort hin
zu spähen nach den lang ersehnten Welten
die hinter grünen Wellen sind.

Und flaschengrün wallt unter Dir die Flut;
Das Wasser bricht an Steinen – endlich langsam
und schon verborgner Sonne Licht
bricht rot durch kalter Lüfte Dunst.

Von Ewigkeit will hier mein Mund Dir sagen
doch schließt Du ihn mit Gunst zum Schweigen zu;
„Es gibt nichts Größres als das Meer!“
Gesagt hast das – am Anfang – Du!

– Odessa 1995, Regensburger Version 1996 –

Als ich dieses Gedicht an meinen besten Studienfreund schickte, antwortete seine Freundin: „Und wann küsst du sie endlich?“ – Tja, das musste ein paar Monate warten, blieb bei einem erfolglosen Versuch und wenige Wochen später brach die einmal Geküsste den Kontakt zu mir ab. Es dauerte satte 16 Jahre, bis wir uns noch einmal trafen, uns aussprachen und so unseren Frieden machten.

Ich fürchte zu wissen, auf welcher Seite meine einseitig Geliebte von damals heute steht. Es ist nicht meine Seite – die einer – leider ohnmächtigen – Friedensliebe.

Dass die beiden Kriege, die mir täglich mehr zusetzen, nicht durch eine einfache Aussprache befriedet werden können, ist mir vollkommen klar. Trotzdem hoffe ich, dass es nicht noch ein Jahr oder länger dauert, bis Putins Waffenarm zu Boden fällt. Der Kopf darf gerne dranbleiben. Jeder sollte eine Gelegenheit haben, eine Kehrtwende zu machen. Was den Preis für die unzähligen Opfer angeht: Darüber informiert sie gerne ein gewisser Paulus von Tharsus, Präsident Vladimir Vladimirovitsch. Der hat da eine gewisse Erfahrung. Mit weniger Toten.

So viel sage ich voraus: Das wird nicht billig. Teurer als eine Luxus-Yacht mit Privathafen vor Jalta. Echt, Alter.

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